In Österreich ist Trinkgeld mehr als bloße Anerkennung für guten Service – es stellt für viele Arbeitnehmer:innen in Gastronomie, Hotellerie und anderen dienstleistungsorientierten Berufen einen wesentlichen Einkommensbestandteil dar. Während es in der öffentlichen Wahrnehmung oft als freiwillige Gabe gilt, ist seine rechtliche und steuerliche Behandlung deutlich komplexer – und aktuell Gegenstand einer umfassenden Reform.
Steuerfrei, aber beitragspflichtig
Grundsätzlich gilt: Freiwillig gezahltes Trinkgeld, das ortsüblich und zusätzlich zum vereinbarten Lohn gewährt wird, ist von der Lohnsteuer befreit. Das bedeutet: Weder Lohnsteuer noch Dienstgeberbeitrag oder Kommunalsteuer fallen an – eine scheinbar einfache und arbeitnehmerfreundliche Regelung.
Anders sieht es jedoch bei der Sozialversicherung aus. Hier gilt das Trinkgeld als beitragspflichtiges Entgelt, wenn es im Rahmen eines Dienstverhältnisses gewährt wird. Zur administrativen Entlastung wurde in der Vergangenheit die sogenannte Trinkgeldpauschale eingeführt: Eine vereinfachte Regelung, die pauschale Beträge anstelle einer genauen Abrechnung erlaubt.
Eine Reform nimmt Gestalt an
Seit Wochen wird intensiv über eine Reform dieser Pauschale diskutiert. Nun zeichnet sich erstmals eine Einigung ab: Die Wirtschaftskammer und die Gewerkschaft haben sich auf ein neues Modell verständigt, das auch von den Regierungsparteien ÖVP und SPÖ mitgetragen wird.
Geplant ist ein bundesweit einheitliches Stufenmodell, das drei Kategorien vorsieht:
- 95 Euro monatlich für Beschäftigte mit hohem Trinkgeldaufkommen (z. B. Zahlkellner:innen)
- 45 Euro für Berufe mit geringeren Trinkgeldern
- 0 Euro für Tätigkeiten ohne Bezug zu Trinkgeldern
Ziel ist es, den bisherigen Flickenteppich an unterschiedlichen Pauschalregelungen in den Bundesländern zu beenden und sowohl Unternehmen als auch Beschäftigten eine klare, transparente Lösung zu bieten.
Amnestie für Altfälle: Ein Signal an die Betriebe
Ein weiterer zentraler Aspekt der geplanten Reform ist die rückwirkende Amnestie für offene Verfahren. Infolge der verstärkten Kartenzahlung – und damit besserer Nachvollziehbarkeit von Trinkgeldern – kam es in der Vergangenheit zu zahlreichen Nachforderungen seitens der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK). Diese sollen nun im Zuge der Reform entfallen. Für viele Betriebe ist das ein wirtschaftlich relevantes Entgegenkommen und ein Anreiz, der neuen Regelung zuzustimmen.
Der digitale Wandel als Treiber
Die Reform kommt nicht von ungefähr. In Zeiten zunehmender Digitalisierung, in denen Trinkgelder häufiger per Karte bezahlt und automatisch in den Kassensystemen erfasst werden, ist die Nachvollziehbarkeit stark gestiegen. Was früher bar und unter dem Radar lief, ist heute buchhalterisch sichtbar – und somit auch für Behörden von Interesse.
Die geplante Vereinheitlichung könnte daher nicht nur mehr Rechtsklarheit schaffen, sondern auch zur Entlastung aller Beteiligten beitragen – sowohl auf Unternehmens- als auch auf Behördenseite.
Ausblick: Noch fehlt die finale Zustimmung
Obwohl eine breite Einigung in Sicht scheint, ist die Reform noch nicht in trockenen Tüchern. Die NEOS zeigen sich bislang zurückhaltend, ein endgültiger Beschluss steht noch aus. Dennoch wächst der Druck aus der Praxis – viele Betriebe und Arbeitnehmer:innen hoffen auf eine zeitnahe Umsetzung.
Was als kleine Aufmerksamkeit beginnt, ist für viele zur finanziellen Notwendigkeit geworden. Eine klare, faire und zukunftsfähige Regelung rund um das Thema Trinkgeld wäre ein Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit – und zu einem modernen Umgang mit einem traditionellen Bestandteil des österreichischen Arbeitsalltags.